Demenz - Lass mich nicht alleine gehen /  Karin Bottke

 

 

Elfriede Droste ist noch einmal durch ihr ganzes Leben gegangen. Sie hat aufgeräumt. Sich von allem Unnötigen getrennt. Mutter und Tochter hatten die Gelegenheit, in Liebe aufzuarbeiten, bevor das unbegreifliche Vergessen das Leben einer ganzen Familie verändert hat. Um mit den Worten ihrer Tochter Monika zu sprechen: Sie ist von uns gegangen, lange bevor sie starb. Ihre letzte kluge Frage werde ich nie vergessen: Wenn ich nichts mehr weiß, nicht mehr weiß, wer ich bin und wo ich hingehöre, wenn ich alles vergessen habe, dann habe ich ja nur noch mein Leben. Und was mache ich damit? Sie hat uns mit diesem Leben wachgerüttelt. Wir sind dankbarer geworden.
Demenz - Lass mich nicht alleine gehen"
Dieses Buch ist in
zweiter Auflage erschienen im BoD Verlag -  252 Seiten
ISBN 978-3-8370-0982-8, Paperback, im Buchhandel erhältlich für 18,50

ISBN 978-3-8448-6543-1, e-book, u.a. Apple, Amazon zum Preis von 9,99 €
© 2007 by Karin Bottke

Dieses Buch ist ein Roman über die ersten Anzeichen der Demenz, die Pflege, bis hin zur Bettlägerigkeit. Die Autorin spricht nicht von der medizinischen Seite. Sie berichtet, wie sich der Kranke und wie sich die Angehörigen fühlen. Was wirklich wichtig ist und was den Frieden in der Familie erhält.
Ein Familienroman mit einer sehr spannenden Handlung, einem lebhaften, flüssigen Schreibstil und sehr glaubhaft gezeichneten Charakteren.
Trotz der Tragik - mit den vielen kleinen Erlebnissen ernst und heiter - ein positives Buch.

Für die Helmstedter Autorin Karin Bottke war die Leipziger Buchmesse 2013 sehr erfolgreich. Es wurden erstmals Preise für Autoren, die im Eigenverlag eBooks herausbringen, ausgelobt. In der Kategorie Sachbuch war „Demenz. Lass mich nicht alleine gehen“ in den TOP25 der Selfpublisher bei neobooks (von 400 Titeln).

Rezension von Eva Prüße
Diese tagebuchähnliche Erzählung führt in eine Welt, die uns, als nicht Betroffene oder Angehörige, fremd ist. Man hat das Gefühl, man schaut verbotenerweise durch ein Schlüsselloch. Ein ganz normales Alltagsleben wird hier ad absurdum geführt. Denn das Leben mit einem demenzkranken Menschen ist halt kein normales. Die Autorin macht vor keinem Tabu halt, schildert aus Sicht der pflegenden Tochter, sowie, auch empfindungsmäßig, aus Sicht der Erkrankten. Dieser Roman weckt Emotionen, denen man sich als Leser nicht entziehen kann. Er zeigt die Ängste und Bitternisse eines Lebens, das in der bisherigen Form keines mehr ist. Er zeigt aber auch in hohem Maße die Liebe, das grenzenlose Vertrauen, den Respekt, die Verzweiflung und den tiefen Glauben in die Notwendigkeit, diese Veränderungen bewältigen zu wollen. Enorm einfühlsam geschrieben, mutig, ehrlich und trotz aller Tragik, noch raumlassend für zum Schmunzeln anregende Situationskomik. Dieses Buch ist sehr zu empfehlen.

Isa Schikorsky: "Mit großem Interesse und zunehmender Betroffenheit habe ich das Buch gelesen. Man darf es bei dem Thema eigentlich nicht sagen, aber es war eine spannende Lektüre wie ein Krimi, aber natürlich mit einer ganz anderen Wirkung. Sie schaffen es sehr sehr gut, den Verlauf der Krankheit mit allen ihren Aspekten anschaulich und verständlich zu machen. Was besonders beeindruckt: Nie wird die Schilderung weinerlich oder selbstmitleidig, die schlichte, warmherzige Beschreibungssprache ist ganz unsentimental, ja manchmal blitzt trotz aller Trauer doch etwas Humor auf, das ist ganz wunderbar und erhöht die Wirkung noch. [...] Mir hat Ihr Buch sehr viel Erkenntnis gebracht! Ich hoffe sehr, dass Sie viele Möglichkeiten finden, daraus zu lesen, denn es besteht sicher ein großes Informationsinteresse, und an einem so plastisch erzählten Roman lässt sich diese Erkenntnis besser gewinnen als an zehn Ratgebern, weil die Emotionen nicht ausgeblendet werden."

Christine Söchtig, Pflegefachkraft der AOK- Pflegekasse

„ ...ich habe übers Wochenende ihr Buch gelesen und bin echt begeistert! (Wenn das überhaupt der richtige Ausdruck ist?) Ich habe mit so viel Spannung gelesen, wie Sie die immer wieder neuen Herausforderungen behandeln. Das Buch ist für mich eine echte Bereicherung, weil ich mich in eine solche Pflegesituation hineinfühlen, oder hineindenken kann, sie so nah aber noch nicht erlebt habe. Ich habe mitgelitten. - Die Lektüre war ergreifend, aber nicht belastend, weil Sie die Pflege mit so viel Geduld, Liebe und Verständnis für die Eigenheiten geschildert haben. Ich werde das Buch auf jeden Fall meiner Angehörigen-Gruppe vorstellen und meinen Kolleginnen mit dem gleichen Aufgabengebiet. Bleibt mir nur noch vielen, vielen Dank zu sagen und Hut ab vor Ihrer Leistung!"

 

Dieses Bild ziert die Cover-Rückseite.
Die Geschichte "Wir sprechen über Sanssouci" bezieht sich auf dieses Foto:

Die Tür klappt. Mit leicht schlurfenden Schritten kommt Mutti wohl zum hundertsten Mal in meine Wohnung.
„Ach, du“, sagt sie. „Ich dachte, du wärest nicht da.“
Wo sollte ich sonst sein? Ich zähle bis zehn, lächele und frage: „Was hast du denn auf dem Herzen?“
„Sieh mal, was ich gefunden habe!“
Sie hält mir ein altes sepiabraunes Foto hin. „Das bin ich!“
Ich kenne das Foto. Ich weiß auch, was für eine Geschichte nun kommt.
„Weißt du, das bin ich als junges Mädchen. Das Kleid hatte ich mir auf Abzahlung gekauft, beim Juden. Im Wedding, ein kleiner Laden. Fünf Wochen lang jede Woche 2 Mark.“
Ich sehe sie voll an, damit sie Mimik und Gestik versteht.
„Das wären zehn Mark. Ziemlich billig!“
Mutti lacht.
„Hast du eine Ahnung. Das war damals viel Geld für mich! Und den Hut gab mir der nette, alte Herr dazu. Für das liebe Frauchen sagte er. Der Hut war schwarz und gebraucht. Den habe ich mir zurechtgemacht und weiß gestrichen. Schön, was?“
Sie scheint nach wie vor stolz darauf zu sein.
„Ich habe mich nie gehen lassen. Ich habe aus nichts was gemacht. Ich war immer schick!“
„Heute noch!“, sage ich lobend. „Und mit dem neuen Outfit hast du dann Potsdam unsicher gemacht?“ Ich stichele ein bisschen.
„Na, wie du das wieder sagst! Ich habe mit meiner Freundin das Schloss Sanssouci besucht! Hier auf den Stufen“, sie zeigt auf das kleine Bildchen, „haben wir uns gegenseitig fotografiert.“
Sie dreht sich um und geht mit den leicht schlurfenden Schritten zur Tür.
„Ich wollte mein ganzes Leben mit meiner Tochter mal all die Straßen und Plätze meiner Jugend ablaufen. Meine Schule. Das Mietshaus, Hinterhof, vierter Stock. Bahnhof Gesundbrunnen. Potsdam. Ich möchte genau da“, sie stupst auf das Bild, „noch mal auf den Stufen stehen“, sagt sie beim Hinausgehen.


Ob das gelingt - ob Mutter und Tochter überhaupt die Stufen wiederfinden - ob eine solche Reise nach Potsdam nicht viel zu anstrengend für alle Beteiligten ist? Das und vieles mehr erfahren Sie von Monika, die gemeinsam mit ihrer Mutter die Erinnerungen aufarbeitet, so gut es halt geht, bevor ... Naja, Sie ahnen es, nicht wahr? Aber lesen Sie selbst - lassen Sie Elfriede Droste nicht alleine gehen.

 

Leben - was mache ich damit

Ich bin dieses Jahr zu gar nichts gekommen
Ich hatte mir was Großes vorgenommen
Es kostete alle meine Kraft
Ich hab es geschafft

Letztes Jahr der Mutter Demenz und Leid
Schreiben über Erlebtes in dieser Zeit
Zwangsvorstellungen, Wahn
Es ist ein Roman

Die einzelnen Stufen dem Ende entgegen
Stürme, die durch die Seele fegen
Ängste, im Nichts geboren
Sich selbst verloren

Fremde unter Fremden, ohne Heimat, allein
Erkennt ihr Kind nicht, kann so was sein
Was mein einst war, was ich besessen
Ausgelöscht, alles vergessen

Wie man isst, wie man trinkt, wie man lacht
Im Nebel verschwunden über Nacht
Wie ich weiß nicht was wohl geht
Es ist zu spät

Beine und Arme bewegen beim Gehen
Den Kopf mal beugen oder drehen
Gleichgewicht halten im Stand
Völlig unbekannt

Wenn ich nicht mehr weiß, wonach streben
Habe ich nur das bisschen Leben
Und was mache ich damit
Einen letzten Schritt

Woher bin ich und Wohin? Völlig unbekannt
Weiß nichts von einem besseren Land
Trete vor Gottes Angesicht
Kenne ihn nicht

  • Copyright Karin Bottke